Eine Bearbeitung von Udo Freiherr de Rath.
Was sind achtsamkeitsbasierte Therapien und wofür werden sie eingesetzt?
Wesentliche Bedeutung für die Etablierung von achtsamkeitsbasierten Verfahren im psychotherapeutischen Kontext hatte die in den 1970er Jahren zunächst für Patienten mit chronischen Schmerzen entwickelte achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) von Jon Kabat-Zinn (Molekularbiologe). In diesem Sinne verstandene Achtsamkeit ist eine Form von Konzentration, d.h. von gezielter Aufmerksamkeitslenkung, bei der man bewusst („außen“ und „innen“) wahrnimmt, was im gegenwärtigen Moment ist („Hier und Jetzt“), ohne zu urteilen oder zu bewerten („Akzeptanz“).
Daher fokussieren und bearbeiten achtsamkeitsbasierte Konzepte in der Psychotherapie einerseits die Verbesserung der Akzeptanz unangenehmer Lebensumstände und Emotionen, andererseits die Verbesserung der „metakognitiven Wahrnehmung“, d. h. der emotionsfreien Beobachtung intrapsychischer Prozesse.
Verschiedene, für bestimmte Störungsbilder und Problembereiche ausgearbeitete achtsamkeitsbasierte Psychotherapiekonzepte liegen vor:
Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR), ein ursprünglich 8-Wochenprogramm mit formellen Übungen (Bodyscan, Yoga, Meditation), informellen Aufgaben (Achtsamer Alltag, schwierige Situationen/ Stress) und Psychoedukation. Geringgradige Wirksamkeit bei Depressionen und anderen Stressfolgeerkrankungen, größere Bedeutung als Zusatzmodul und in der Prävention
Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT), als Kombination kognitiver Verhaltenstherapie mit achtsamkeitsbasierten Methoden. Wirksamkeitsnachweise finden sich im Bereich der Rückfallprophylaxe rezidivierender Depressionen (weniger in der Akutbehandlung).
Mindfulness-based Relapse Prevention (MBRP), achtsamkeitsbasierte Rückfallprävention bei Suchterkrankungen, Gruppenangebot v.a. im Rahmen der Entwöhnung und der Nachsorge. In Wirksamkeitsstudien fanden sich Hinweise auf geringe über Standardtherapien (Psychoedukation, medikamentöse Unterstützung, Gruppenprogramme) hinausgehende Effekte v.a. im Bereich der Reduktion von Entzugssymptomen/Craving.
Was ist MBSR und für wen ist diese Therapie geeignet?
Wenn durch äußere Reize eine psychische und körperliche Anspannung hervorgerufen wird, reden wir von Stress. Wirkt Stress dauerhaft auf uns ein, kann er uns krank machen. Stress wird durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Er begegnet uns vor allem am Arbeitsplatz; das Stichwort heißt Burnout-Syndrom, das unbehandelt häufig in eine Depression münden kann.
Bewiesen ist: Eine ständige Belastung durch Stress kann schwere gesundheitliche Folgen haben – Diabetes, Magengeschwüre oder Herzrhythmusstörungen. Bereits bestehende Erkrankungen, auch psychische Störungen, können sich verstärken. Und darüber hinaus können sich aus ständiger Unzufriedenheit, Nervosität, Gereiztheit oder Angst ernsthafte psychische Erkrankungen entwickeln.
Der ehemalige Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn gründete im Jahre 1979 im US-Bundesstaat Massachusetts eine “Stress-Reduktions-Klinik". Er hatte als Zen-Schüler langjährige Erfahrungen mit buddhistischer Meditation gesammelt sowie Hatha-Yoga praktiziert und die Krankenhausleitung der Universitätsklinik von Massachusetts davon überzeugen können, chronischen Schmerzpatienten ein neues, auf “Achtsamkeit” beruhendes Trainingsprogramm anzubieten, um das Stresslevel innerhalb dieser Patientengruppe zu senken – mit Erfolg.
Die von Kabat-Zinn entwickelte „Achtsamkeitstherapie“ (“Mindful Based Psychotherapy”) erzeugt eine besondere Form von Aufmerksamkeit, bei der die Patientinnen und Patienten „in Ruhe und ganz bewusst wahrnehmen sollen, was im gegenwärtigen Moment ist, ohne darüber zu urteilen.“ Es geht Kabat-Zinn darum, dass wir durch äußere Lebensumstände wie zum Beispiel Stress, Hektik und Überarbeitung die entscheidenden Vorgänge übersehen, die unser Wohlbefinden beeinflussen und verstärken. Nach seiner These heißt “achtsam zu leben”, über kurz oder lang eine stabile Mentalität zu entwickeln, die im Falle einer problematischen Lebenssituation – wie im Falle einer ernsthaften psychischen oder körperlichen Erkrankung – die Kraft der inneren Ressourcen zur Gefahrenabwehr und zur Bewältigung der Krise nutzt.
Mittlerweile ist das MBSR-Training gut erforscht. Als Zusatzmodul von spezifischen Psychotherapieverfahren bei der Behandlung von Depressionen, Angststörungen sowie Stress- und Traumafolgestörungen entfaltet es Wirkungen. Besondere Bedeutung haben achtsamkeitsbasierte Verfahren jedoch im Rahmen der Rückfallprophylaxe und der Prävention (Resilienzstärkung). Sie führen zu mehr Gelassenheit („Akzeptanz“) und Wohlbefinden im beruflichen und privaten Leben und fördern den konstruktiven Umgang mit Belastungssituationen. MBSR kann helfen, stressauslösende Situationen bereits im Vorfeld zu erkennen und entsprechend achtsam zu agieren, anstatt bloß zu reagieren.
MBSR
Steigert die Fähigkeit, sich zu entspannen
Stärkt Selbstvertrauen und die Selbstakzeptanz
Kann Denk-, Gefühls-, und Handlungsmuster positiv beeinflussen
Gibt größere Gelassenheit
Erhöht die Lebensfreude
Achtsamkeit kann man lernen.
Während einer MBSR-Therapie werden Achtsamkeitsübungen im Sitzen, Liegen, Gehen und in Alltagssituationen absolviert:
Body-Scan (Körperwahrnehmung)
Sitzmeditation
Gehmeditation
Achtsamkeitsübung „Breathing-Space“
Schweigetag (sechs Stunden)
Ergänzt wird dieses Achtsamkeitstraining durch sanftes Yoga, das auch für ungeübte Teilnehmer praktizierbar ist. Aus den praktischen Übungen ergeben sich für die Kursteilnehmer verschiedene Aspekte des „Stresserlebens“ und wie man diesen Stress bewältigen kann, indem die neu gewonnene Achtsamkeit in den beruflichen und privaten Alltag integriert wird. Hierzu gehört auch die Vermittlung von Hintergrundwissen zur Stressentstehung und -reduktion.
07/2022
Was sind achtsamkeitsbasierte Therapien und wofür werden sie eingesetzt?
Wesentliche Bedeutung für die Etablierung von achtsamkeitsbasierten Verfahren im psychotherapeutischen Kontext hatte die in den 1970er Jahren zunächst für Patienten mit chronischen Schmerzen entwickelte achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) von Jon Kabat-Zinn (Molekularbiologe). In diesem Sinne verstandene Achtsamkeit ist eine Form von Konzentration, d.h. von gezielter Aufmerksamkeitslenkung, bei der man bewusst („außen“ und „innen“) wahrnimmt, was im gegenwärtigen Moment ist („Hier und Jetzt“), ohne zu urteilen oder zu bewerten („Akzeptanz“).
Daher fokussieren und bearbeiten achtsamkeitsbasierte Konzepte in der Psychotherapie einerseits die Verbesserung der Akzeptanz unangenehmer Lebensumstände und Emotionen, andererseits die Verbesserung der „metakognitiven Wahrnehmung“, d. h. der emotionsfreien Beobachtung intrapsychischer Prozesse.
Verschiedene, für bestimmte Störungsbilder und Problembereiche ausgearbeitete achtsamkeitsbasierte Psychotherapiekonzepte liegen vor:
Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR), ein ursprünglich 8-Wochenprogramm mit formellen Übungen (Bodyscan, Yoga, Meditation), informellen Aufgaben (Achtsamer Alltag, schwierige Situationen/ Stress) und Psychoedukation. Geringgradige Wirksamkeit bei Depressionen und anderen Stressfolgeerkrankungen, größere Bedeutung als Zusatzmodul und in der Prävention
Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT), als Kombination kognitiver Verhaltenstherapie mit achtsamkeitsbasierten Methoden. Wirksamkeitsnachweise finden sich im Bereich der Rückfallprophylaxe rezidivierender Depressionen (weniger in der Akutbehandlung).
Mindfulness-based Relapse Prevention (MBRP), achtsamkeitsbasierte Rückfallprävention bei Suchterkrankungen, Gruppenangebot v.a. im Rahmen der Entwöhnung und der Nachsorge. In Wirksamkeitsstudien fanden sich Hinweise auf geringe über Standardtherapien (Psychoedukation, medikamentöse Unterstützung, Gruppenprogramme) hinausgehende Effekte v.a. im Bereich der Reduktion von Entzugssymptomen/Craving.
Was ist MBSR und für wen ist diese Therapie geeignet?
Wenn durch äußere Reize eine psychische und körperliche Anspannung hervorgerufen wird, reden wir von Stress. Wirkt Stress dauerhaft auf uns ein, kann er uns krank machen. Stress wird durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Er begegnet uns vor allem am Arbeitsplatz; das Stichwort heißt Burnout-Syndrom, das unbehandelt häufig in eine Depression münden kann.
Bewiesen ist: Eine ständige Belastung durch Stress kann schwere gesundheitliche Folgen haben – Diabetes, Magengeschwüre oder Herzrhythmusstörungen. Bereits bestehende Erkrankungen, auch psychische Störungen, können sich verstärken. Und darüber hinaus können sich aus ständiger Unzufriedenheit, Nervosität, Gereiztheit oder Angst ernsthafte psychische Erkrankungen entwickeln.
Der ehemalige Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn gründete im Jahre 1979 im US-Bundesstaat Massachusetts eine “Stress-Reduktions-Klinik". Er hatte als Zen-Schüler langjährige Erfahrungen mit buddhistischer Meditation gesammelt sowie Hatha-Yoga praktiziert und die Krankenhausleitung der Universitätsklinik von Massachusetts davon überzeugen können, chronischen Schmerzpatienten ein neues, auf “Achtsamkeit” beruhendes Trainingsprogramm anzubieten, um das Stresslevel innerhalb dieser Patientengruppe zu senken – mit Erfolg.
Die von Kabat-Zinn entwickelte „Achtsamkeitstherapie“ (“Mindful Based Psychotherapy”) erzeugt eine besondere Form von Aufmerksamkeit, bei der die Patientinnen und Patienten „in Ruhe und ganz bewusst wahrnehmen sollen, was im gegenwärtigen Moment ist, ohne darüber zu urteilen.“ Es geht Kabat-Zinn darum, dass wir durch äußere Lebensumstände wie zum Beispiel Stress, Hektik und Überarbeitung die entscheidenden Vorgänge übersehen, die unser Wohlbefinden beeinflussen und verstärken. Nach seiner These heißt “achtsam zu leben”, über kurz oder lang eine stabile Mentalität zu entwickeln, die im Falle einer problematischen Lebenssituation – wie im Falle einer ernsthaften psychischen oder körperlichen Erkrankung – die Kraft der inneren Ressourcen zur Gefahrenabwehr und zur Bewältigung der Krise nutzt.
Mittlerweile ist das MBSR-Training gut erforscht. Als Zusatzmodul von spezifischen Psychotherapieverfahren bei der Behandlung von Depressionen, Angststörungen sowie Stress- und Traumafolgestörungen entfaltet es Wirkungen. Besondere Bedeutung haben achtsamkeitsbasierte Verfahren jedoch im Rahmen der Rückfallprophylaxe und der Prävention (Resilienzstärkung). Sie führen zu mehr Gelassenheit („Akzeptanz“) und Wohlbefinden im beruflichen und privaten Leben und fördern den konstruktiven Umgang mit Belastungssituationen. MBSR kann helfen, stressauslösende Situationen bereits im Vorfeld zu erkennen und entsprechend achtsam zu agieren, anstatt bloß zu reagieren.
MBSR
Steigert die Fähigkeit, sich zu entspannen
Stärkt Selbstvertrauen und die Selbstakzeptanz
Kann Denk-, Gefühls-, und Handlungsmuster positiv beeinflussen
Gibt größere Gelassenheit
Erhöht die Lebensfreude
Achtsamkeit kann man lernen.
Während einer MBSR-Therapie werden Achtsamkeitsübungen im Sitzen, Liegen, Gehen und in Alltagssituationen absolviert:
Body-Scan (Körperwahrnehmung)
Sitzmeditation
Gehmeditation
Achtsamkeitsübung „Breathing-Space“
Schweigetag (sechs Stunden)
Ergänzt wird dieses Achtsamkeitstraining durch sanftes Yoga, das auch für ungeübte Teilnehmer praktizierbar ist. Aus den praktischen Übungen ergeben sich für die Kursteilnehmer verschiedene Aspekte des „Stresserlebens“ und wie man diesen Stress bewältigen kann, indem die neu gewonnene Achtsamkeit in den beruflichen und privaten Alltag integriert wird. Hierzu gehört auch die Vermittlung von Hintergrundwissen zur Stressentstehung und -reduktion.
07/2022